Ein Interview mit der Co-Vorsitzenden der Jungen DGVN Hamburg Leah Mathiesen

„Es ist wichtig zu wissen, was die UN kann – und was sie nicht kann.“

In der Rubrik „Die UN und wir“ stellen wir Euch auf dem Blog verschiedene Menschen vor, die sich bei der DGVN auf vielfältige Art und Weise engagieren. Den Auftakt macht heute Leah Mathiesen. Leah ist 28 Jahre alt, hat gerade ihr erstes juristisches Staatsexamen abgelegt und engagiert sich schon seit langem für die Vereinten Nationen. Insbesondere ist sie – gemeinsam mit Hanna Schönlau – Co-Vorsitzende unserer Jungen DGVN in Hamburg.
Mit ihr konnten wir über die DGVN im Allgemeinen, den Aufbau des Vereins und über Ihren außergewöhnlichen Werdegang sprechen.

Danke Leah, dass Du dich bereiterklärt hast, den Auftakt für unsere Rubrik „Die UN und wir“ zu machen! Zum Anfang würde ich gerne von Dir wissen, wie die DGVN überhaupt aufgebaut ist, damit wir Dich in der Organisation gut verorten können.
Vielen Dank für die Einladung, ich freue mich auch, dabei zu sein.
Zu Deiner Frage: Die DGVN ist grundsätzlich hierarchisch strukturiert. Am Kopfende steht der Bundesvorstand, dessen 12 Mitglieder auf eine Zeit von drei Jahren gewählt werden. Der Bundesvorstand ist das Hauptorgan des Vereins; er trifft die Leitentscheidungen. Finanziert wird die Bundesebene ausschließlich durch das Auswärtige Amt.
Daneben gibt es das Generalsekretariat, welches die Aufgaben einer Geschäftsführung übernimmt. Im Unterschied zu den meisten anderen Gremien der DGVN sind dort hauptamtlich Beschäftigte – anstelle von ehrenamtlich Engagierten – eingesetzt. Diese zehn bis 12 Personen betreuen die Websites, verwalten die Gelder, kümmern sich um rechtliche Fragestellungen und sind für uns als Ansprechpartner:innen unerlässlich.
Unterhalb der Bundesebene gibt es dann noch die Landesverbände. Diese sind relativ neu; daher gibt es leider bisher im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Bremen noch keine Verbände. Tritt man der DGVN bei, wird man automatisch Mitglied im jeweiligen Landesverband. Die Landesverbände koordinieren die Mitglieder untereinander und sind in ihrer Arbeit sehr frei – die hierarchische Struktur setzt sich also nur bedingt fort. Zum Beispiel produziert der Landesverband Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der DGVN den Podcast UNhörbar, in welchem mit wechselnden Gäst:innen über UN-relevante Themen gesprochen wird.
Zu erwähnen sind außerdem die Arbeitskreise. Das sind lose Zusammenschlüsse von Mitgliedern, die sich zu verschiedenen Themen austauschen. Die Arbeitskreise arbeiten also eher intern; sie betreiben keine Außendarstellung und führen keine Personalwahlen durch. Das sorgt zwar dafür, dass man sich in den Arbeitskreisen gut mit Gleichgesinnten vernetzen kann, führt aber auch dazu, dass die Arbeitskreise öffentlich wenig wahrgenommen werden. Inhaltlich gibt es unter anderem Arbeitskreise zu Peacekeeping, zum Thema Nachhaltigkeit, zur UN-Forschung oder zur Jugendbeteiligung.

Ich verstehe, damit wird das Ganze schon mal transparenter. Und wo genau engagierst du dich dabei?
Ich habe schon früh im Studium gemerkt, dass mich internationale Themen aller Art ansprechen. Daher habe ich mich unter anderem bei verschiedenen Model United Nations (MUN) engagiert und bin darüber 2020 in die DGVN gerutscht.
Am Standort Hamburg gab es damals bereits eine kleine aktive Gruppe von jungen Menschen, die sich in der DGVN engagieren wollten. Diese Gruppe hat insbesondere das Projekt „UN im Klassenzimmer“ betrieben, bei der die Aufgaben und Kompetenzen der UN Schüler:innen nähergebracht werden sollten. Vor ca. einem Jahr wurde das Projekt UN im Klassenzimmer allerdings auf Bundesebene aufgelöst und die Stelle der Regionalkoordinator*in, die auch unsere Hochschulgruppe mit koordiniert hat, wegefallen. Weil mir das Projekt aber so sehr am Herzen lag, habe ich mich – gemeinsam mit Hanna – dafür eingesetzt, dass die Aktiven weiter zusammengeblieben sind. Es sollte ein Raum für junge Menschen bestehen bleiben, in dem sie sich über die UN und ihre Rolle in der Gesellschaft austauschen können. Das ist nicht nur für die UN, sondern auch für unsere Demokratie von entscheidender Bedeutung!
So haben Hanna und ich eigene Strukturen in der DGVN Nord aufgebaut und unser Projekt „Junge DGVN Hamburg“ zum Sommersemester 2023 gestartet. Ein weiterer Glücksfall war, dass wir viele neue Mitglieder aus dem Kreis des juristischen Schwerpunkts an der UHH gewinnen konnten. Es sollte eine Gruppe entstehen, die sich gegenseitig zu schätzen weiß und gut zusammenarbeitet. Stück für Stück sollte dieser Kreis professionalisiert werden, indem z.B. Resorts verteilt werden. Und wo wir gerade schon beim Thema sind: Alle Menschen unter 35 Jahren können sich bei uns herzlich gerne engagieren!

Ich hoffe, den Aufruf nehmen viele Leser:innen wahr! Wo könnte man sich noch in der DGVN engagieren?
Gerade der Arbeitskreis Jugendbeteiligung steht jungen Menschen offen. Dort setzen wir uns ebenfalls dafür ein, dass die Stimmen von jungen Menschen in der DGVN lauter gehört werden und junge Menschen die Möglichkeit bekommen, sich mit UN Themen auseinanderzusetzten. Bei dieser Aufgabe unterstützt uns die Bundesebene mittlerweile finanziell. Es gab Ende 2024 ein erstes Auftakttreffen in Berlin, bei dem die wichtigsten Aufgaben verteilt wurden und das Programm für die kommende Zeit vorstellt wurde. Mittlerweile sind ca. 30 Leute in diesem Arbeitskreis und davon engagieren sich ca. 15 Leute regelmäßig.
Inhaltlich geplant sind derzeit verschiedene Ausflüge, UN-Lunchtalks und das Projekt „UN im Klassenzimmer“ soll wiederbelebt werden. Auch die Vernetzung mit der Politik ist für uns – nicht zuletzt wegen der Finanzierung – wichtig. Ultimativ soll eine Junge DGVN auf Bundesebene gegründet werden.

Da hast Du Dir ja wirklich viel vorgenommen! Warum engagierst du dich eigentlich bei der DGVN?
Zunächst einmal macht es mir wirklich Spaß, mich mit vielen Gleichgesinnten auszutauschen und über die UN zu sprechen. Aus meiner MUN-Zeit hatte ich bereits Vorwissen über die UN, aber ich lerne täglich noch dazu. Die UN zu verstehen ist meiner Ansicht nach wichtig für unsere Demokratie. Wenn in der öffentlichen Debatte über die UN gesprochen wird, zeigen sich doch hier und da Wissenslücken: Es ist wichtig zu wissen, was die UN kann – und was sie nicht kann. Und selbst die politisch Aktive Personen sind oft nicht mit der UN im Detail vertraut. Wir sollten UN-Entscheidungen mehr in den Fokus rücken und mehr darüber berichten, was diese Organisation eigentlich tut.

Du hast jetzt schon häufiger von den MUN gesprochen. Was ist das eigentlich?
Die Model United Nations (MUN) sind im Kern mehrtätige Konferenzen, die im In- und Ausland stattfinden. Dort wird eine Sitzung der UN-Generalversammlung simuliert. Alle Teilnehmenden vertreten jeweils ein Land und gemeinsam verhandeln sie über ein spezielles Thema. Am Ende der Konferenz wird in der Regel über eine Resolution abgestimmt und es kommt darauf an, ob eine Resolution zustande gekommen ist und wie gut man die Interessen des „eigenen“ Landes eingebracht hat. Begleitet werden diese Konferenzen von verschiedenen Events zum Netzwerken, Feiern und Kennenlernen. An vielen Unis gibt es Vereine, in denen sich Interessierte gemeinsam auf eine oder mehrere MUNs vorbereiten können. Auch an der UHH gibt es einen entsprechenden Verein.
Die Teilnahme an MUNs hat mir beim selbstbewussten Auftreten gegenüber und Reden mit fremden Leuten sehr geholfen und ich kann allen Interessierten nur empfehlen, an einer (oder mehreren!) MUNs teilzunehmen. Zwar sind MUNs dezentral organisiert – meistens ist die jeweilige Uni federführend. Die Webiste myMUN fasst die allermeisten Konferenzen aber sehr gut zusammen. Meine Highlights waren vor allem: Die HamMUN in Hamburg, die EuroMUN in Maastricht, die TLVMUN in Tel Aviv und FMPTMUN in Tangier. Auch große Universitäten wie Oxford (OxiMUN) oder Harvard (HNMUN) richten MUNs aus.

Danke für den Hinweis! Falls das den Interessierten noch nicht gereicht hat: Wo kann man sich rund um die UN noch engagieren?
Wie gesagt, die MUNs sind ein toller erster Anlaufpunkt, um sich mit den UN vertraut zu machen. Ansonsten können sich alle Menschen im Deutschen Norden natürlich gerne bei der Jungen DGVN in Hamburg engagieren.
Generell würde ich empfehlen, bei all diesen Vereinen persistent zu sein. Geht immer wieder hin, stellt immer wieder Nachfrage und gebt nicht auf, wenn ihr etwas erreichen wollt. Aller Anfang ist schwer, aber am Ende lohnt es sich! Vielleicht hilft auch der Gedanke, dass alle diese Vereine von Ehrenamtlichen leben. Habt also keine Sorge, dass ihr zu mehr Aufgaben verpflichtet werdet, als euch lieb ist. Last but not least ist es immer wieder toll, in diesen Kontexten neue Leute kennenzulernen und sich auszutauschen.

Gibt es noch etwas, was du sagen willst?
Ehrenamtliches Engagement ist gerade während des Studiums bzw. der Ausbildung wirklich sehr empfehlenswert! Hier kann man sich orientieren und herausfinden, was einem Spaß macht. Man weiß sonst auch gar nicht, was es an Angeboten gibt, und außerdem sieht man, was man alles auch außerhalb des Arbeitslebens schaffen kann. Auch persönliche Fortschritte bei sich selbst kann man sehr gut anhand von ehrenamtlichem Engagement messen. Daher kann ich allen jungen Menschen nur raten, sich vielfältig zu engagieren!

Von: Tim Pöppel