Von Weltraumschrott zu Weltraumverantwortung

Als am 4. Oktober 1957 der Sputnik durch den Himmel flog, markierte das nicht nur den Beginn des Weltraumzeitalters – es war auch der Moment, in dem der Mensch begann, den Orbit zu verändern. Heute, fast 70 Jahre später, stehen wir erneut an einem Wendepunkt. Doch diesmal geht es nicht um Raketenrennen oder Prestigeprojekte, sondern um eine drängende Frage globaler Verantwortung: Wie gestalten wir die Nutzung des Weltraums nachhaltig?
 
Das Weltall ist längst kein fernes Science-Fiction-Szenario mehr – es ist ein integraler Bestandteil unseres Alltags. Satelliten ermöglichen Navigation mit GPS, weltweite Kommunikation, Finanztransaktionen, Wettervorhersagen und Umweltmonitoring. Sie helfen bei der Katastrophenhilfe, sichern Internetzugänge in abgelegenen Regionen (Achtung: geopolitischer Einfluss) und liefern essenzielle Daten für den Klimaschutz. Ohne einen funktionierenden Orbit käme vieles, was wir heute als selbstverständlich ansehen, buchstäblich aus dem Takt. Der Weltraum ist damit keine Spielwiese für Supermächte – sondern eine kritische Infrastruktur des 21. Jahrhundert.
 
Doch unser Fortschritt hat Nebenwirkungen: Der erdnahe Orbit ist heute ein Trümmerfeld. Millionen Teile von Weltraumschrott – von alten Satelliten bis hin zu winzigen Lacksplittern – kreisen mit 30.000 km/h um unseren Planeten. Schon eine kleine Kollision kann funktionierende Systeme lahmlegen – und damit die Infrastruktur, auf die unsere Welt angewiesen ist.

Wir befinden uns im Anthropozän – dem Zeitalter, in dem menschliches Handeln nicht nur die Erde, sondern nun auch den Orbit prägt. Trotz erster Ansätze durch internationale Verträge wie das Outer Space Treaty von 1967 und UN-Gremien wie COPUOS ist das bestehende Regelsystem zu alt, zu langsam, zu zersplittert und weitgehend unverbindlich – besonders im Hinblick auf die wachsende Rolle privater Akteure. Unternehmen wie SpaceX oder BlueOrigin treiben Innovation voran, aber ohne klare Spielregeln entsteht ein gefährliches Vakuum.
 
Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Risiken! Die existierenden Verträge sind Reaktionen auf die Sorgen ihrer Zeit – Militarisierung und Kolonialisierung des Weltall. Heute jedoch klafft eine gesetzliche Lücke, die weder der neuen Dynamik noch der Frage der Nachhaltigkeit im All gerecht wird. Was es jetzt braucht, ist ein Update unseres Verständnisses von Governance. Mein Vorschlag: Wir denken Weltraumpolitik als Teil globaler Umweltverantwortung – im Sinne der Earth System Governance.
 
Ein konkreter Schritt wäre ein Sustainable Development Goal 18: „Sicherstellen der nachhaltigen, friedlichen und gerechten Nutzung des Weltraums für alle Menschen.“ Wie beim Schutz der Ozeane (SDG 14) geht es auch hier um globale Güter – und kollektive Lösungen.
 
Der Weltraum ist keine Bühne für Machtspiele, sondern ein geteiltes Erbe. Die Menschheit hat ihn betreten – nun muss sie auch Verantwortung übernehmen. Governance im All ist kein Luxusprojekt. Sie ist eine Notwendigkeit. Für unsere Satelliten. Für unsere Daten. Für die Zukunft.

Von: Leonardo Pereira